Mit Prof. Dr. Dieter A. Tscheulin (21.8.1938 – 5.12.2013) verliert die GwG einen ihrer Mitbegründer, ein Mitglied der ersten Vorstände und ihren 1. Vorsitzenden von 1973 – 1974, den ersten Herausgeber ihrer Informationsblätter (1970 – 1973) und den Mitinitiator des 1. Europäischen Kongresses für Gesprächspsychotherapie 1974 in Würzburg. Seit Gründung der GwG im April 1970 war er bis Ende 2012 aktiv in unserer Gesellschaft in zahlreichen Gremien tätig, zuletzt als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats.
Dieter Tscheulin wurde am 21. August 1937 in Lörrach geboren. Sein Psychologiestudium schloss er 1966 in Heidelberg als Diplom-Psychologe ab. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn 1966 an die Universität Würzburg. Dort promovierte er zum Dr. phil. über die Entwicklung therapeutischen Beziehungsverhaltens. 1989 erfolgte die Habilitation über psychotherapeutische Wirkfaktoren ebenfalls in Würzburg. Ab 1990 war er dort als Privatdozent zwischenzeitlich (1989/90) in einer Vertretungsprofessur in Hamburg (Lehrstuhl R. Tausch) tätig. 1996 wurde er zum apl. Professor der Universität Würzburg ernannt, 1999 bis zu seiner Pensionierung 2003 im Rang eines Akademischen Direktors. Mit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes erhielt er die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut.
Schwerpunkte seiner praktischen und wissenschaftlichen Arbeit waren: die Lehre in Entwicklungspsychologie und Klinischer Psychologie (mit Schwerpunkt auf der Gesprächspsychotherapie) sowie 1970 – 1993 die Leitung einer Forschungsstelle und Praxis für Gesprächspsychotherapie, Forschungsberatung in einer Psychosomatischen Klinik und Supervision an einem gesprächspsychotherapeutischen Ausbildungsinstitut. Hauptthemen seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind die Grundlegung einer Differentiellen Gesprächspsychotherapie nach Persönlichkeitsmerkmalen mit und ohne Konfrontationsoptionen (Tscheulin 1992) sowie nach Störungsmerkmalen (Tscheulin 2007), die deutsche Adaptation des SASB Fragebogens zur strukturalen Analyse sozialen Verhaltens (Tscheulin & Glossner 1993), die Verlaufs- und Erfolgskontrolle Personzentrierter Beratung und Psychotherapie mit dem WLF (Tscheulin 2001) und die Komplementarität der therapeutischen Beziehung (Tscheulin 2006). Dieter Tscheulin hat zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Gesprächspsychotherapie beigetragen. Er hat zurecht dafür und für seine Verbandsarbeit die Ehrenmitgliedschaft der GwG erhalten.
Wer ihn kannte, erinnert sich gerne an einen Menschen, der das personzentrierte Menschenbild engagiert und authentisch leben und vermitteln konnte, als Freund, als Kollege, Ausbilder und Wissenschaftler. Dieter Tscheulin starb völlig unerwartet am 5. Dezember 2013. Wir werden ihn sehr vermissen.
Gert-W. Speierer, Regensburg
Literatur
1. Tscheulin, D. (1992). Wirkfaktoren psychotherapeutischer Intervention. Göttingen: Hogrefe. (Theoretische und empirische Grundlagen zur einheitlichen Betrachtung psychotherapeutischer Intervention aus klientenzentrierter Perspektive; Grundlegung einer Differentiellen Gesprächspsychotherapie; unveränderter Neudruck 2000). Im Internet: http://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/volltexte/2013/7762/
2. Tscheulin, D. & Glossner, A. (1993). Die deutsche Übertragung der Intrex 'Longform Questionnaires': Validität und Auswertungsgrundlagen der SASB Fragebogenmethode. In W. Tress (Hrsg.), SASB - Die Strukturale Analyse Sozialen Verhaltens - Ein Arbeitsbuch (S.123 – 155). Heidelberg: Asanger.
3. Tscheulin, D. (2001). Würzburger Leitfaden (WLF) zur Verlaufs- und Erfolgskontrolle Personzentrierter Beratung und Psychotherapie (Version 3: neu überarbeitet und ergänzt; Lose-Blatt-Sammlung im Ringbuch). Köln: GwG-Verlag. 4. Tscheulin, D. A. (2006). Über Komplementarität in der therapeutischen Beziehung. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 38.Jg. (2), 303 – 310.
5. Tscheulin, D. A. (2007). Psychodiagnostik und differenzielles Vorgehen in der Gesprächspsychotherapie: I Grundlagen (167 – 178), II Praxis (179-190). In J. Kriz / Th. Slunecko (Hg.). Gesprächspsychotherapie. Die therapeutische Vielfalt des personzentrierten Ansatzes. Wien: UTB, facultas.wuv